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Norwegen,
Hardangervidda im Winter, Seite 2 von 3 [zurück][weiter]
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Über
Nacht zieht ein Schneesturm auf, der zwei Tage wütet und sich
dann allmählich abschwächt. Der 2. Tag ist gekennzeichnet
von beißendem, eisigem Wind und unsereren Bemühungen,
aus bröseligem Schnee eine Schneemauer vor dem Zelt aufzuschaufeln:
Unablässig bedeckt frischer Schnee alles in unglaublicher Geschwindigkeit.
Himmel und Horizont zu unterscheiden ist unmöglich; die Sicht
auf wenige Meter begrenzt, ein klassisches Whiteout. Ich lerne schnell,
meine Finger nur wenn es unbedingt notwendig ist, aus den Handschuhen
zu nehmen und sie dabei nicht dem Wind auszusetzen. Am 3. Tag entschließen
wir uns, weiterzumarschieren: Wind und Schneefall haben nachgelassen,
aber immer noch behindern Unmengen winziger, aufgewirbelter Schneekristalle
die Sicht und jeden Handgriff beim Lagerabbau. Bei -17°C erreichen
wir, das Gesicht mit Gesichtsmaske und Gletscherbrille gegen Erfrierungen
geschützt, nachmittags die Hütten von Tuva.
Die Wirtin Eileen, etwa Mitte 50, spricht hervorragend deutsch:
Sie heiratete vor 25 Jahren Peter aus Kassel und bewirtet seitdem
gemeinsam mit ihm die Hütte. Diesen Winter läge relativ
wenig Schnee, sagt sie. Der Holzofen im Gastraum bullert und wir
stärken uns mit einer kräftigen Brühe mit Fleischbällchen
und mit heißem Johannisbeersaft.
Dann
hat die Zivilisation für uns ein Ende: Jenseits von Tuva existieren
keine gespurten Wege im Frühwinter, und Menschen trifft man
deshalb auch so gut wie nie. Erst zu Ostern wird sich das ändern.
Etwa 2 km hinter Tuva hoffen wir, in einer Senke etwas Windschutz
zu finden und bauen das Lager auf. In den Hang grabe ich fast 2
Meter tief ein Kochloch, aber feiner Treibschnee zieht auch dort
hinein. Unser Abendessen besteht heute wie an einigen anderen Tagen
aus Nudeln mit viel Soße, in die ich Käsestücke
und für Walter auch Speckstücke schneide. Viel heißer
süßer Tee dient unserer Energie- und Flüssigkeitsversorgung.
Am nächsten Morgen zeigt das Thermometer -14°C. Der Wind
hat weiter abgenommen, ist aber immer noch unangenehm. Die Weite
der baumlosen Hardangervidda liegt vor uns, ihre sanften Erhebungen
überdick mit Schnee bedeckt. Hier und da ragen die trockenen
Zweige von Zwergbirken aus dem Schnee, dazwischen oft die Spuren
von Schneehühnern. Wir ziehen nach Süden, in Richtung
Heinseter. Unser Weg führt zwischen den Kuppen von Grönenutan
und Grasnuten hindurch. Die Hütten von Heinseter vor uns in
Sichtweite, schlagen wir das Lager auf.
Der nächste Morgen ist fast windstill und sonnig, bei angenehmen
-20°C. Jedes Fitzelchen Sonne und Wind nutzen wir morgens und
abends im Lager, um die Schlafsäcke zu trocknen. Wir überqueren
auf der Hängebrücke das fast vollständig zugefrorene
Verbindungsflüßchen zwischen dem Hein- und dem Nedrehein-See.
Trotz "wenig Schnee" haben Verwehungen einige der Hütten
von Heinseter fast vollständig begraben. In der Windstille
hat die frühe Märzsonne schon Kraft; wir haben ein paar
leichte Anstiege zu bewältigen und müssen aufpassen, nicht
ins Schwitzen zu geraten. Immer wieder stoßen wir auf die
kleinen Schneehöhlen von Schneehühnern, in denen ihr Kot
wie gehäckseltes, gepreßtes Stroh liegt.
Die nächste Nacht verbringen wir, etwa auf halber Strecke zwischen
Heinseter und Rauhellern, auf einer Anhöhe zwischen großen
Felsbrocken; wie eine Mondlandschaft wirkt die Hardangervidda auf
uns. Südwestlich erhebt sich der gut 1300m hohe Tormodbrotet
vor uns. Hermeline haben ihre Fährten zwischen den Felsblöcken
gezogen; zu sehen ist jedoch keins. Unter dem klaren Himmel fällt
das Thermometer bis zum Morgen auf -25 °C. Der Tag beginnt sonnig
und windstill. Fleece und Schneehose reichen als Marschbekleidung
aus, plus Gletscherbrille gegen Schneeblindheit. Wir drehen unseren
Kurs auf Ost, überqueren den Djupa-Fluß und später
die Nordausläufer des Sees Hölen. Kurz vor dem Langevatnet-See,
die Hütten von Höljabu in Sichtweite, campieren wir.
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