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Norwegen,
Hardangervidda im Winter, Seite 3 von 3 [zurück]
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Schon
Abends fällt das Thermometer auf -28°C, und aus offenen
Stellen am Langevatnet-Zufluß steigt Dampf auf. Am nächsten
Morgen erreichen wir mit -32°C den Kältetiefpunkt der Tour.
Diesmal hängen besonders lange "Frostfäden"
vom Zeltinneren herab, und in der gesamten Kuppel glitzert unser
gefrorener Atem. So schön das aussieht, so unangenehm ist dies
in unserem kleinen Igluzelt, das mit 2 Personen, dicken Schlafsäcken
und dicker Kleidung randvoll gestopft ist: Bei jeder Drehung nachts
stößt man an die Zeltwand, und unweigerlich rieselt ein
feiner Schneeschauer auf einen herab, natürlich auch ins Gesicht.
Auch eine volle Blase, die nachts ihren Tribut fordert, ist kein
wirkliches Vergnügen - selbst die Chance auf Polarlichter locken
uns, einmal eingemummelt in den Schlafsack, nicht aus dem Zelt.
Der nächste Tag beginnt mit einer leichten, aber sich über
Kilometer hinziehenden Steigung; dann stapfen wir einen sanften
Hang hinab. Mit einem unheimlichen "Wusch!" hören
wir immer wieder Schneebretter unter unseren Schneeschuhen absacken.
Das Vorwärtskommen ist heute anstrengend; wir sinken über
weite Strecken bei jedem Schritt, trotz Schneeschuhe handtief ein.
Bei klarem Himmel schlagen wir unser Nachtlager am Fuß der
1260m hohen Ulvelinuten-Bergkette auf. Am nächsten Tag wollen
wir hier ein Iglu bauen, deshalb verdichten wir abends mit unseren
Schneeschuhen den Schnee nicht nur dort, wo Zelt und Küche
stehen werden. Der nächste Morgen begrüßt uns trübe
und mit warmen -12°C. Doch während wir uns an die Arbeit
des Iglubauens machen, setzen sich bald blauer Himmel und prächtiges
Bauwetter durch, ideal, um endlich das Eis vollends aus unseren
Schlafsäcken herauszubekommen. Der Schnee ist zum Iglubauen
nicht optimal; teils besteht er aus sehr groben Kristallen und bröselt.
Dennoch sind wir nach 6 Stunden Bauzeit auf unsere weiße Halbkugel
mit einem Innendurchmesser von 2,60m stolz. Ausgang und Vorraum
haben wir tief ausgeschachtet; der Schlafbereich (=normale Bodenhöhe)
ist dadurch erhöht. Auf eine Aluplane breiten wir unsere Isomatten
und darauf die Schlafsäcke. Es wird eine luxuriöse Nacht:
Eine in die Igluwand gerammte Schneesäge hält unsere Benzinlaterne,
wir haben viel Platz, und kein Schnee rieselt nachts ins Gesicht,
wenn wir uns bewegen. Auch das Ausschauhalten nach Polarlichtern
ist im Iglu viel bequemer: Wir sägen einfach da, wo sich das
Kopfende unseres Schlafsacks befindet, mit der Schneesäge ein
kleines Loch in die Wand. Zeigen will sich diese Nacht leider keines.
Entlang des Südufers des Skarsvatnet-Sees ziehen wir am nächsten
Morgen weiter. Eispressungen heben sich fast meterhoch wie Pickel
empor. Ein alter Bootsschuppen von Bakkebu ist von Schneehasen heimgesucht;
viele Spuren führen hinein und hinaus. Wir kommen nur langsam
voran; zu tief sinken wir bei jedem Schritt in den Schnee ein. Später
nähern sich von Osten zwei Punkte; es sind zwei Deutsche, ebenfalls
mit Pulkas unterwegs. Dann geht es kilometerlang sanft bergab, und
wir verbringen die letzte Nacht draußen in schütteren
Birkenwäldchen. Am nächsten Morgen ziehen wir bei Sonnenschein
weiter Richtung Solheimstuten in der Hoffnung, von dort aus zurück
zu unserem Auto zu gelangen. Wir haben Glück: bei den ersten
Häusern treffen wir eine Gruppe Langlauf-Skiläufer - wieder
Deutsche, aus Norddeutschland. Sie haben ein großes Haus im
Jönndalen gemietet, von dem aus wir uns gern ein Taxi rufen
und auch Duschen dürfen. Wir freuen uns über das Angebot
und ziehen unsere Pulkas auf den nächsten fünf Kilometern
auf der Straße bis wir das Haus erreichen.
Als einziges Säugetier der Tour sehen wir einen großen
Schneehasen, der vor uns aus seiner Deckung flieht. Im Haus werden
wir freundlich aufgenommen. Tee wird uns angeboten und auch der
hervorragende Geitost; ein karamelisierter, leicht süßlicher
norwegischer Ziegenkäse. Aufgrund seiner hellbraunen, wenig
appetitlichen Farbe habe ich ihn bislang auf den Frühstückbuffets
verschmät - ein grober Fehler.
Nach einer Dreiviertelstunde verfrachten wir unsere Schlitten und
Rucksäcke in ein Großraumtaxi und klettern hinterher.
Wir entschuldigen uns vorab für unseren möglicherweise
nicht ganz angenehmen Körperduft und setzen uns deshalb auch
nach hinten. Eine knappe Stunde Fahrt (40km), und wir sind wieder
bei unserem Wagen, der weder eingeschneit noch eingefroren ist.
Auf der Fahrt nach Oslo haben wir das Glück, dicht an der Straße
einen Elch zu sehen. In der Hauptstadt besuchen wir am nächsten
Tag bei leichten Minusgraden und Schneefall das Museum mit Fridtjof
Nansen's "Fram" - und frieren zum ersten Mal seit Tagen
erbärmlich: Während eineinhalb Stunden schmilzt im Museum
der Schnee auf Walter's Schuhen nicht - und wir sind leider nur
noch "normal" angezogen.
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