|
Schließlich
ein erster Blick auf den See, aber es ist noch weit bis dahin, und
davor Felsblöcke, nichts als Felsblöcke. Die Bindungen
von Walter's Schneeschuhen lösen sich immer öfter; ein
Lederriemen des Geflechts ist bei dem warmen Wetter schon gerissen.
Als ich eine Stelle im Felsmeer erreiche, wo ich nicht mehr weiter
weiß, entdeckt Walter 50 Meter weiter rechts an einer großen
Kiefer einen roten Markierungsstab. Wir kämpfen uns dahin durch.
Ein Weg ist dort zwar nicht, aber weiter rechts schütterer
Wald, und darin geht es sich etwas besser. Erschöpft erreichen
wir den See. Wir haben für 500m über zwei Stunden gebraucht!
Noch ein Stückchen nach Süden übers Eis, dann errichten
wir am Ufer das Lager. Sternenklar ist der Himmel um Mitternacht,
doch der Wind ist mild.
Der Morgen grüßt uns mit lauen -2°C und zunehmendem
Wind; über Tag steigert der sich, und bald mischt sich Schnee
darunter. Anfangs ist unser Weg identisch mit dem vor 5 Tagen, und
prompt breche ich an fast der selben Stelle wieder ein (diesmal
mit beiden Beinen). Aber alles bleibt trocken, so schnell ziehe
ich mich an einem Uferfelsen wieder raus.
Etliche Eisfischer sehen wir - es ist Sonntag. Mittags erreichen
wir - wieder in Schweden - das Ostufer des Stor-Vandsjöns.
Links von einer Hütte verläuft der Schneemobilweg. Wir
freuen uns, wieder richtig festen Boden unter den Füßen
zu haben, zumal das Ledergeflecht unserer Schneeschuhe aufgequollen
ist und leicht Schaden nehmen kann. So stapfen wir "unten ohne"
weiter und kommen gut voran. Über Övre und Nedre Grötsjön-
und Klacken- führt der Pfad auf den Hävlingen-See. Dort
bleiben wir in einer tiefen Bucht für diese Nacht. Bei +2°C
beginnt es später leicht zu regnen! Wind reißt nachts
am Zelt. Morgen geht es hinauf auf's Fjäll.
Schneehuhn-Rufe wecken uns. Bei -2°C, zunehmendem, naßkaltem
Wind und leichtem Schneeregen geht es weiter. Dort, wo der Motorschlittenpfad
bei einer Hütte den Hävlingen verläßt, warten
ungeduldig sechs Hundegespanne: was für ein Durcheinander,
Gebelle, Gezerre, Geheule! Wir folgen dem Pfad durch hügeligen
Wald. Beständig geht es aufwärts. Der Wind gewinnt an
Stärke. Nur ein paar dutzend Meter weit reicht unsere Sicht,
während wir uns den kahlen Rücken des Langfjällets
hochkämpfen. Zelten ohne Windschutz durch Bäume? Wohl
besser nicht. In der Särsjöbäckstugan-Schutzhütte
wollen wir Zuflucht suchen. Als wir sie erreichen, herrscht beinahe
whiteout - Himmel und Horizont sind kaum mehr voneinander zu trennen.
Zehn schlichte Quadratmeter sind unsere Heimstatt: In der Mitte
ein Yukonofen; an drei Seiten Isomatten-breite Holzbänke, in
einer Ecke etwas Brennholz; ein Erste-Hilfe-Kasten. Und ein Hüttenbuch,
in dem wir den Eintrag deutscher Wanderer vom September 2006 entdecken:
Müde
Beine
nichts als Steine
Aussicht: keine
Heinrich
Heine
Wir
können dem nur beipflichten. Abends holen wir nach und nach
unsere gesamte Ausrüstung in die Hütte, damit nichts wegfliegt.
Die ganze Nacht reißt der Südwestwind am Hüttendach;
singt im Ofenrohr. Wir schlafen gut.
Am nächsten Morgen Sonne; der Wind bläst nach wie vor
heftig und hat auf Süd gedreht. Früh gehen wir los, wollen
noch ein Iglu bauen. Nach fünf Kilometern auf dem Motorschlittenweg
treffen wir auf eine Kreuzung; dort gehen wir ein wenig ins Hinterland
und beginnen mit der Errichtung unseres Schneepalasts. 2,4 Meter
Innendurchmesser hat er am Ende - und es ist so schön windstill
drinnen!
Nach dieser letzten Nacht im Schnee ziehen wir bei Sonnenschein
und Windstille (!) hinab Richtung Grövelsjön und beenden
unseren zwölftägigen Rundgang.
|