|
Nowitna
River [Seite 3 von 3] [zurück]
Seite [1][2][3]
Die
Wolkendecke hält sich bis zum nächsten Abend. Irgendwo
regnet es, denn der Wasserstand kriecht langsam in die Höhe.
Wir lagern auf der Sandbank einer Haarnadelkurve. Nachts hören
wir es in Zeltnähe platschen: ein kleiner Schwarzbär ist
an Land gekommen. Er erschreckt sich allein bei unserem Flüstern
und als wir aus dem Zelt gucken, galoppiert er ein Stückchen
davon. Seine Neugier drängt ihn jedoch zweimal wieder in Richtung
Zelt, bis Walter, der schlafen will, brüllt: "Verpiß'
Dich!!!" Das sitzt.
Immer noch ist der Himmel morgens trüb, doch ein dünner
blauer Streifen krallt sich an den Horizont. Und das GPS verrät
uns: Ihr seid weiter als gedacht! So nehmen wir uns beim Besuch
einer verschlossenen Rangerhütte am rechten Ufer Zeit. Wieder
auf dem Wasser, lugen in der Ferne schon die Kokrines Hills vom
Yukon über den Wipfeln der Wälder hervor. Endlich lockern
die Wolken abends auf, und goldenes Abendlicht erfreut nicht nur
das Fotografenherz.
Im
Lauf des nächsten Tages verbreitert sich der Nowitna; die Strömung
nimmt auf etwa 1-2 km/h ab. Vor uns liegt ein gigantischer Flußschleifenhaufen.
Im letzten Viertel dieses Schleifengewirrs gibt es eine neue Abkürzung.
Auf der zugehörigen, chaotischen Sandbank campieren wir. Hier
scheinen sämtliche Stechmücken des Nowitna auf uns zu
lauern. Über den Kokrines Hills geht nachts ein Gewitter nieder.
Heute
fehlt morgens das Schwanenpaar. Dafür überfliegt uns eine
rote Cessna ganz tief, und kurze Zeit später halten wir ein
Schwätzchen mit einem Schweizer Ehepaar: Sie sind mal eben
zum Angeln aus Fairbanks hergekommen, stammen ursprünglich
aus der Gegend von Lausanne und leben seit 1969 in Alaska.
Schnell heizt uns die Sonne ein, und nicht nur uns: Wir sind ein
Steilufer hochgeklettert und fotografieren gerade in der verbrannten
Taiga, da marschiert aus dem Busch gegenüber ein ausgewachsener
Schwarzbär heraus. Er stolziert geradewegs in den Nowitna,
kühlt sich ab und verschwindet wieder in den Weiden. Gegen
halb sechs erreichen wir wieder eine Stelle, an der sich der Nowitna
ein neues Bett gegraben und Flußschleifen abgekürzt hat.
Wir können auf der Karte nicht erkennen, wo genau wir nun sind,
nur soviel ist gewiß: Es ist unser letztes Lager am Nowitna;
morgen werden wir den Yukon erreichen. Fern aus den Weiden hinter
uns dringt ab und an ein Geräusch, das an entfernte Bombenabwürfe
erinnert: Balzlaute eines Wildhuhns, des "ruffed grouse",
das sie mit den Flügeln erzeugt. Dabei ist es Mitte August!
Kaum
sind wir am nächsten, windigen Tag auf dem Wasser, verdoppelt
der Nowitna seine Breite, die Strömung geht dafür gegen
Null. Wellen überspülen unsere Bootsnasen. Der Flußverlauf
hat mit dem unserer Karte keinerlei Ähnlichkeit mehr. Gegen
zwei Uhr nachmittags ist es soweit: fünf Schwäne verabschieden
uns aus dem Nowitna. Die graue Yukonsuppe verschlingt das dunkle,
klare Wasser im Nu. Groß erscheint uns der Yukon, und so hell!
Wir queren zum Nordufer und dann geht es weiter, der gleißenden
Sonne entgegen. Auch der Yukon hat noch viel Wasser, doch irgendwann
finden wir eine kleine Insel, hinter deren Logjam ein paar kiesige
Stellen etwas höher liegen als der Wasserspiegel.
Nachts
frischt der Wind von Süden auf, doch als wir tags darauf weiterziehen,
weht er nur mäßig. Mit 16°C ist die Luft fast so
warm wie der Yukon selbst. Heute wollen wir Kokrines besuchen, erst
den Indianerfriedhof, dann die verfallene Siedlung - wenn wir sie
noch finden. Den Friedhof erkennen wir sofort, vor kurzem erst muß
jemand dort gehörig aufgeräumt haben: Alle Bäume
auf dem Friedhof selbst und auf der steilen Uferböschung davor
sind gefällt. Dann erkunden wir die Überreste von Kokrines.
Wir kämpfen uns durch hohes Gras und wilden Rhabarber. Wolf
Hebel's Hütte steht noch, wie von drei Jahren, als wir das
erste Mal hier waren. Zahllose Stachelschwein-Pillen liegen drinnen
herum, einige Planken des Bodens sind eingebrochen. Eine Zeitung
vom 4. April 1967 isoliert ein Stückchen Wand. Später
campieren wir auf einer Insel in der Horner Hot Springs Slough.
Seit wir am Yukon sind, gibt es endlich auch trockenes Feuerholz
im Überfluß. Es ist die letzte Wildnis-Nacht dieser Tour.
Morgens setzt Wind ein. In Wellen wirft er den Yukon ans nördliche
Ufer. Genau das wird Walter nach einer Pinkelpause zum Verhängnis;
er kentert beim Start. Zum Glück sind die Kameras weggepackt!
Flott legen wir das Boot trocken und queren zur nächsten großen
Insel. Dort lodert bald ein wärmendes Feuer und Walter hockt
wie meditierend davor, um sich und seine Sachen zu trocknen. Eine
Dreiviertelstunde später sind wir wieder unterwegs. Mittlerweile
hat der Wind nachgelassen und die Sonne scheint. Steile, felsendurchsetzte
Fichtenwälder dominieren das Südufer des Yukons vor Ruby;
im Norden begleiten uns immer noch die Kokrines Hills. Wir passieren
ein stilliegendes Fischrad. Eine Barge kommt auf uns zu, erst als
kleiner heller Punkt, der aber schnell bedrohliche Ausmaße
annimmt. Der Kapitän der "Yukon" drosselt beizeiten
den Motor. Wir winken uns zu - und danach reiten wir für den
Rest der Strecke - über zwei Kilometer! - auf gigantischen
Wellen, an die zehn Meter sind sie wohl breit, und anfangs über
einen Meter hoch. Sie rollen unter uns durch; werden am Ufer reflektiert
und kommen zurück. Langsam wird es deshalb kabbelig, doch die
Amplitude der Wellen nimmt allmählich ab. Als die Barge wieder
Gas gibt, wirbelt hinter ihr ein riesiger Schlammwasserstrudel.
Dann erreichen wir Ruby. Zwischen Motorbooten ziehen wir unsere
Faltboote an Land und stapfen die Schotterstraße zu Wolf hoch.
Zweieinhalb Tage bleiben wir, und die vergehen wie im Flug: Unsere
Geburtstage nachfeiern, Kunstwerke und Werkstatt bestaunen, Ausrüstung
zusammenpacken. Und: Dias und Bilder heraussuchen für Wolf's
Autobiografie "Auf der Suche nach Freiheit", die Ende
Dezember 2008 erschienen ist.
Das Buch (Preis 19,95 €) kann bei uns einfach per Email
(
)
bestellt werden.
|